Orione ist dabei, mit an Bord: Axel, Peter, Paul und Elisa Baumgartner sowie Tobias Brackmann als Smut, Michael Schütz als Doc, Robert Nowatzki als Trimmer, und Paul Piendl, der mit gerade 24 Jahren bereits Fidschi-Australien single handed gesegelt ist und willkommene Schwerwettererfahrung mitbringt.

Das Race geht über 628 nm mehr oder weniger direkt nach Süden, wobei immer mehrere Wettersysteme durchquert werden. Am Start sind 109 Verrückte mit ihren Wasserspielzeugen, darunter vier 100 Fuß Supermaxis, eingeschlossen die Seriensieger Commanche und Wild Oats und die Crème de la Crème der TP52 offshore Szene.

Samstag, 24.12.2022

In Deutschland werden die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum ausgepackt, wir trainieren Spi-Manöver vor dem Sydney Opera House. Das erste Rennen haben wir bereits gewonnen, nämlich das zur Startlinie. Die ohnehin schon sehr anspruchsvolle Kategorie 1 (long distance offshore races) Zertifizierung wurde durch den ausrichtenden Cruising Yacht Club Australia nach dem Unglücksrennen 1998 mit 7 Toten nochmals detailliert. Wir benötigten ungelogen mehr als 3 Wochen, um den mehrstufigen Abnahmeprozess zu bestehen. Wer zum Beispiel schon mal ein Kurzwellenradio installiert hat, weiß, was kompliziert ist.

Sonntag, 25.12.2022

Santa Claus kommt mit Geschenken einer australischen TV-Station zum Boot. Die Medienpräsenz übertrifft alle Erwartungen. ZDF, FAZ, Süddeutsche und natürlich die Yacht berichten namentlich über uns. Auf einer Pressekonferenz sitzen wir (also racing) mit Fastnet- und Carribean-600-Siegern vor den Mikrofonen. Peter verbreitet in den australischen Hauptabendnachrichten über das Rennen: „It's a terrible way to a good party!“

Ein Taucher schrubbt noch mal das Unterwasserschiff, „mindestens 1 Knoten schneller“ lautet sein vielleicht etwas optimistischer Kommentar.

Montag, 26.12.2022

Die Spannung ist auf dem Höhepunkt. Um 13 Uhr ist Start. Die „big boys“ bringen nach dem abschließenden „weather briefing“ ihre unnötigen Segel wieder von Bord, alles passive Gewicht muss weg. Eine Crew von 18 hat 6 Mann auf Wache, 6 auf stand by, und 6 können schlafen, Anzahl der dafür nötigen Schlafsäcke an Bord: 6 :) .

Auf dem Pier herrscht unglaubliches Gedränge, zwischen den zahlreichen Schaulustigen sind die Segler in der Minderheit.

11 Uhr:

Wir legen ab, vor dem Start müssen wir unsere orange Sturmbesegelung am Startschiff vorführen. Dann heißt es, die Startlinie in die Regattasoftware einzugeben. Wir starten von der hintersten, vierten Linie. Das ist gut, denn so bleiben uns die ehrgeizigen Draufgänger an der Linie erspart und die verlorene Höhe erhalten wir durch eine nähere Ablauftonne vor dem „South Head“ zurück.

12:50: warning signal – Vorsegel einrollen, wir positionieren uns an der Stb Tonne.

13:00 h–10 s: G3 rollt aus.

13:00 h: Kanonendonner als Startsignal

13:00 h+3 s: Wir rauschen ganz rechts mit Raum vor jedermann über die Linie.

Bei ca. 15 kn Wind schließt sich eine traumhafte Kreuz durch die Bucht von Sydney an. Die hier gewonnen Sekunden werden uns später noch nützlich sein.

13:45: Ocean Swell – wir haben die Tonne gerundet, sind jetzt, bis zum Eingang in die Storm Bay vor Hobart in Tasmanien, im Pazifik. Zunächst sind es ca. 200 nm down wind an der Küste von New South Wales. Vor dem berühmten Bondi Beach liefern wir uns unter unserem blauen Spinnaker heiße Duelle mit einer 50 ft Hanse an Bb und einer Sydney 38 an Stb Die Kunst ist allerdings, den kräftigsten Teil des hier stark mäandernden East Australien Current zu erwischen.

Dienstag, 27.12.2022

In der Nacht träume ich von brechenden Wellen auf dem Wasser, kein schöner Anblick.

Der Tag vergeht im wahrsten Sinne im Fluge, Tiefflugsegeln unter Spi. Letztes Jahr kämpften die Teilnehmer hier gegen 30 kn plus von vorne mit dem entsprechendem „seastate“. Wir gewinnen Meilen über Meilen in echtem Sahne-Segeln. Das Meer funkelt voll lauter bunter Segel in der Sonne, während der Wind, wie angekündigt, ständig zunimmt.

Am späten Nachmittag zeigt der Windmesser über 25 kn, als bei einer verunglückten Spinnakerhalse die Spibaumglocke bricht. Der Zeitpunkt könnte schlechter sein, in den nächsten 48 Stunden ist sowieso nur Segelfläche reduzieren angesagt. Der Yacht schreibe ich: „In der Nacht soll es mit 50 kn ballern“. Zum Dinner wird Schweinefilet süßsauer gereicht, während Australien hinter uns immer kleiner wird.

Mittwoch, 28.12.2022

Als sich die Schatten der Nacht verziehen, sehen wir das Meer komplett weiß. Das wäre ein tolles Drohnenbild von weit oben: unsere Nussschale in den Weiten der tasmanischen See. Gestern hatten wir noch mehrere Mitsegler in Sicht, heute sind wir allein in den „Roaring Forties“. Nur einzelne Albatrosse leisten uns noch Gesellschaft.

Das nächste Land nach Stb  und (!) nach Bb ist Patagonien.

Irgendwann wird mir klar, dass ich genau diesen Anblick zwei Nächte vorher geträumt hatte.

Bei 8 Windstärken ist die See voll weißer Streifen und brechender Wellenkämme. Die Wellen sind hoch, aber nicht zu hoch, im Surf kommen wir, nur unter Sturmfock, schon mal auf 15 kn Bootsspeed. Vom Spray bis zur ersten Saling, über den fast senkrecht nach oben zeigenden Bug bis zum Cockpit voll Wasser, ist alles dabei, was man von einer Sturmfahrt in der Bass Strait erwartet.

How do you like your steaks?“ fragt der Smutje abends, aber nicht bei jedem in der Crew ist der Appetit noch voll ausgeprägt.

Auch Dank des kräftig schiebenden Stroms haben wir in den letzten 24 Stunden ein Etmal von 212 nm zurückgelegt, wie praktisch, diesen Rekord in einer Regatta aufzustellen.

Donnerstag, 29.12.2022

Während der Nacht sehen wir tatsächlich 52 kn Windspeed, bevor der angekündigte „southerly change“ (Süddreher) eintritt. Im Morgengrauen schält sich die Silhouette von Tasmanien aus dem Dunkel. Die See ist friedlich, als ob nichts gewesen wäre. Vor uns liegt ein kleines Hoch, das sich langsam von der tasmanischen Küste Richtung Ost löst. Entgegen aller Daumenregeln: fahren dicht unter Land, um als Erste von dem neuen Wind zu profitieren.

Angenehmer Nebeneffekt: Die spektakuläre Küste wirkt beruhigend nach dem gestrigen Tag.

Freitag, 30.12.2022

An der Einfahrt zur Stormbay sind wir sicher: Wir werden hier finishen!

Auf dem AIS sehen wir, wie zwei unserer Konkurrenten zu dicht unter dem Kap einparken. Eben noch 6 kn, nun 0,6 kn. Wir halten ausreichend Abstand.

Nach fast 600 nm segeln wir mit fünf anderen Teilnehmern in Sichtweite. Im goldenen Morgenlicht kommt uns ein Helikopter entgegen, der jedes Schiff umrundet. Wie Rockstars sitzen wir auf der Kante und winken in die Kamera. Die Fotos gehen allerdings nicht ins TV, sondern werden später für (zu) viel Geld an die Segler verkauft.

Die letzten 11 nm entwickeln sich zu einer spannenden Zielkreuz auf dem Derwent River. Hier herrscht oft Flaute. Ab und an musste in der Vergangenheit sogar der Anker geworfen werden, um ein Zurücktreiben im Ebbstrom zu vermeiden.

Wir aber haben Glück. Bei 10-15 kn Wind entwickelt sich ein heißer Kampf zwischen den fünf Booten in Sichtweite. Was wissen die anderen, was wir nicht wissen? Ist auf einer Seite mehr Wind? Oder weniger Strom? Wir lassen uns nicht verrückt machen und überholen, Dank einer Bö im richtigen Moment, auch den ersten unserer kleinen Zielkreuzgruppe.

2, 5, 9 und 28 Minuten Vorsprung haben wir am Ende nach 628 nm und fast 4 Tagen Regatta. Nach Verrechnung liegen wir sogar nur 10 Sekunden vor dem nächst Platzierten.

Insgesamt werden wir 85. nach „line honours“ und 6. von 18 in unserer Division. Damit sind wir mehr als zufrieden.

Was für eine Woche....